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30.01.2009

Gegen Armut im Land Brandenburg: Landesarmutskonferenz gegründet

„Wir wollen uns in die gesellschaftliche Debatte zur Armuts- und Reichtumsdebatte in Brandenburg einmischen und der Spaltung der Gesellschaft in Arme und Reiche nicht mehr länger tatenlos zusehen“, formuliert Anne Böttcher, Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt, Landesverband Brandenburg und Mitglied des neu gewählten Sprecherrates die Zielsetzung der neu gegründeten Landesarmutskonferenz in Brandenburg.

Die Gründungsveranstaltung fand am 30. Januar 2009 in der Landesgeschäftsstelle des Paritätischen, Landesverband Brandenburg statt, bei der auch der fünfköpfige Sprecherrat gewählt worden ist. Dem Sprecherrat gehören an: Inga-Karina Ackermann, Vorstandsvorsitzende des Arbeitslosenverbandes Brandenburg e.V., Anne Böttcher, Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt, Frank Escholz, Soziale Bewegung Land Brandenburg, Gabriela Hockertz, Caritasverband für das Erzbistum Berlin e.V und Andreas Kaczynski, Vorstandsvorsitzender des Paritätischen Brandenburg. Der Sprecherrat und die einmal jährlich tagende Gesamtkonferenz wollen sich mit eigenen Forderungen an Politik und Verwaltung verstärkt in die sozialpolitische Debatte einschalten. Insgesamt 29 Organisationen bestehend aus Verbänden, Gewerkschaften und Initiativen haben ihre Unterstützung zugesagt und das Gründungsdokument unterschrieben. Sie haben sich damit zur Aufgabe gemacht, das Thema Armut verstärkt in die Öffentlichkeit zu bringen. „Nicht erst der Lebenslagenbericht der Landesregierung, der ja nicht Armutsbericht heißen durfte, hat deutlich gemacht, dass das Thema Armut‘ in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen ist“, sagt Andreas Kaczynski, Vorstandsvorsitzender des Paritätischen und Mitglied des Sprecherrates “und es trifft vor allem auch die Kinder. Jedes vierte Kind ist in Brandenburg von Armut bedroht“. Das wird eines der ersten Themen sein, mit denen die Landesarmutskonferenz sich beschäftigen wird. Dabei stehe nicht nur die finanzielle Sicherheit auf der Agenda, sondern vor allem die Frage der Bildungschancen. „Bildung und Gesundheit müssen deutlich früher als bisher gefördert werden, um gesundheitliche Spätfolgen und frühzeitiges, schulisches Scheitern zu verhindern. Dazu gehört nicht nur ein gut ausgebautes Netz von Frühförderstellen, sondern auch eine vernünftige Abstimmung in der Gründungssitzung der LAK über die Wahl des Sprecherrates Anne Böttcher, Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt, unterschreibt den Gründungsvertrag Personalausstattung in unseren Kindertageseinrichtungen. Hier ist  Brandenburg Schlusslicht, wie wir gerade in unserer Kita-Initiative zeigen und das darf so nicht bleiben!“

Massiv kritisiert die Landesarmutskonferenz den derzeitig gültigen Regelsatz für Kinder und Jugendliche, der willkürlich aus dem Regelsatz für Erwachsene abgeleitet wurde. Das habe das Bundessozialgericht in dieser Woche eindrucksvoll und völlig eindeutig bestätigt, so Andreas Kaczynski „Wir brauchen endlich einen eigenen Kinderregelsatz, wie ihn seit längerem der Deutsche Bundesrat und die Sozialministerkonferenz fordert! Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat hierzu bereits eine viel beachtete Vorarbeit  geleistet, die deutlich macht, dass dies Werk keine Unmöglichkeit ist.“

Kritisch äußerte sich die Landesarmutskonferenz zum Thema prekäre Arbeitsverhältnisse und Langzeitarbeitslosigkeit. „Von Arbeit muss man leben können. ‚Hungerlöhne‘ – oder wie es neuerdings heißt ‚Niedriglöhne‘ − entwerten nicht nur die Tätigkeit, sondern halten die Betroffenen dauerhaft in Abhängigkeit von Sozialtransfers. Es gibt inzwischen Branchen, in denen der Personalmarkt nicht mehr ausgeglichen funktioniert. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit und eines mitunter ruinösen Wettbewerbs scheinen allen Beteiligten ‚die Hände gebunden‘. Hier muss der Gesetzgeber auch verstärkt über die Festlegung von Mindestlöhnen nachdenken“, so Andreas Kaczynski in seinem Statement bei der Gründungsveranstaltung.

Die Landesarmutskonferenz hat neben den Arbeitsgruppen zum Thema „Kinderarmut“ und „Existenzsichernde Löhne“ weiter zwei Themen auf der Agenda, „Altersarmut“ und „Armutsforschung“. Gerade der Lebenslagenbericht habe aufgezeigt, wie schwierig sich die Auswertung und Interpretation empirischer Daten gestalten kann, so Andreas Kaczynski. Wenn sich die Armutsdefinition an dem Durchschnittseinkommen in Brandenburg orientiere, wie es der Lebenslagenbericht Brandenburg tue, dann nimmt tatsächlich die Anzahl der Armen rein rechnerisch ab, wenn das Durchschnittseinkommen in Brandenburg sinkt, schildert Andreas Kaczynski bei der Pressekonferenz. „Dieser Ansatz führt zu einer absurden Interpretation der Daten: je ärmer das Bundesland, desto weniger Arme gibt es.“ Die Lösung liege in der einheitlichen Armutsdefinition und in der Festlegung der Bezugsgröße auf das Durchschnittseinkommen in der Bundesrepublik.

An Themen hat es bei der Landesarmutskonferenz nicht gefehlt und an ausgeprägter Streitkultur auch nicht. Die Landesarmutskonferenz will zunächst in Arbeitskreisen ihre eigene Position finden, den Standort bestimmen, einen Konsens in konkreten Fragestellungen formulieren. Das heißt jedoch keineswegs, dass sie sich aus der Öffentlichkeit gänzlich zurückzieht. Auch wenn die Landesarmutskonferenz ein Zusammenschluss der Nichtregierungsorganisationen fern jeder Parteipolitik sein will, will sie doch einen deutlichen und klaren Dialog mit Parteivertretern führen. Parteivertreterinnen und Parteivertreter werden zu jeder Sitzung eingeladen, um an dem Diskurs teilhaben zu können. So waren auch bei der Gründungsveranstaltung alle Parteien und Fraktionen bis auf die CDU als Gäste vertreten. Der Dialog hat jetzt schon begonnen – kritisch, konfliktreich und lautstark. Damit wäre der erste entscheidende Schritt in Richtung Thematisierung der Armut in Brandenburg getan.

Bericht zur Gründungsveranstaltung

Gegen Armut im Land Brandenburg: Landesarmutskonferenz gegründet

Gegen Armut im Land Brandenburg: Landesarmutskonferenz gegründet

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Gründungsmitglieder